Erwiderung des ADFC Rendsburg PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: TF   
Dienstag, den 30. Juni 2015 um 09:17 Uhr

Die Ortsgruppe hat die Stellungnahme der Stadt Rendsburg zu ihrem schlechten Abschneiden beim Fahrradklima-Test 2014 (Note 4,1) erwidert.

Rendsburg, 21. Juni 2015


An die Mitglieder des Bauauschusses, an den Bürgermeister


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Sicht der Verwaltung hinsichtlich der Umfrageergebnisse des Radklimatests für
Rendsburg hinterlässt beim ADFC Rendsburg Fassungslosigkeit!
Zur Lösung vieler Probleme unserer Stadt könnte mehr Radverkehr einen positiven
Beitrag leisten: Ob es sich um die zunehmenden Überfälle an den „dunklen Stellen“
unserer Stadt handelt, die nicht zuletzt durch eine fehlende soziale Kontrolle infolge
geringen Publikumsverkehrs in den Abend- und Nachtstunden begünstigt werden oder das
„Sterben“ unserer Innenstadt, um nur zwei Beispiele zu nennen. (siehe auch
Ausführungen des renommierten Verkehrsplaners  Em. O. Univ. Prof. DI Dr. techn.
Hermann Knoflacher)
Desweiteren möchten wir kurz auf einige Inhalte der Mitteilungsvorlage eingehen und
kommentieren.
„Mit dieser Aussage muss also die Gesamtbenotung von Rendsburg insbesondere im Vergleich
zur Gesamtbenotung von größeren Städten relativiert werden.“
Anstatt die Zunahme von Radverkehrsinteressierten zu würdigen, die sich im erstmaligen
erreichen der Mindestteilnehmerzahl zeigt, wird die Aussagekraft des Tests in Frage
gestellt. Unserer Ansicht nach sollte nicht die Umfrage relativiert werden sondern den
Kritikpunkten nachgegangen werden.
„Allerdings wurde im GVP auch festgestellt, dass aufgrund der größtenteils aus den 50er und
70er Jahren bestehenden Straßenquerschnitte eine für alle Verkehrsteilnehmer gleiche
Nutzungsqualität oftmals nicht bereitzustellen ist, so dass Einschränkungen hinzunehmen sind.
Diese Aussage betrifft insbesondere auch den Radverkehr im Stadtgebiet, denn die in Rends-
burg üblichen Radwegbreiten werden sehr stark durch die vorhandenen Straßenraumbreiten be
stimmt. Die baulichen Möglichkeiten sind aufgrund der vorhandenen Querschnitte oftmals be-
grenzt.
Zudem sind die vorhandenen Radwege durch Hochborde von den Fahrbahnen abgetrennt, so
dass bei jeglicher Änderung der Radwegbreiten erhebliche bauliche Maßnahmen ergriffen wer-
den müssten.
Gerade weil die Rendsburger Straßenraumbreiten aus den 50er und 70er Jahren
stammen, lassen sie, aufgrund der damaligen großzügigen Fahrbahnbreiten, an vielen
Stellen eine Verbesserung der Infrastruktur in Form von Radfahr- und Schutzstreifen für
Radfahrer zu. Hier würden durch geringe finanzielle Mittel mehrere Verbesserungen
erzielt: Deutliche Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer durch die Nutzung der
Fahrbahn, Erhöhung der Sicherheit, Reduzierung von Umwegen, Erhöhung der Akzeptanz
gegenüber Radfahrern auf der Fahrbahn, erleichterter Winterdienst für Radverkehr u.v.m.
„Unter der Überschrift „Komfort beim Radfahren“ äußern sich diese begrenzt zur Verfügung stehenden Querschnitte in einer schlechten Bewertung der vorhandenen Radwegbeläge. Denn
eine unebene Oberfläche ist oftmals die Folge davon, dass geringe Straßenraumbreiten in
Verbindung mit nahe stehenden Bäumen zu Aufwölbungen auf den Radwegen führen können.
Durch geeignete Baumwurzelbrücken und luftdurchlässige Tragschichten lassen sich solche
Schäden aber mittlerweile bei Neubaumaßnahmen im Stadtgebiet verhindern.“
Häufig anzutreffen sind, neben Wurzelaufbrüchen, Abplatzungen der Verschleißdecke,
Absenkungen des Radweges und oftmals große Absätze an Radfahrerfurten, die sich mit
wenig Aufwand verbessern ließen. Außerdem werden Ausbesserungen oft unsauber
durchgeführt.
Dem ADFC ist bewusst, das die Stadt nur über geringe finanzielle Mittel verfügt und man
keine Sanierung der Radwege erwarten kann.
Jedoch sollte gerade bei geplanten Sanierungsmaßnahmen und Neubaumaßnahmen
zukünftig auf eine bessere Planung geachtet werden und fester Bestandteil der
Ausschreibungen werden. In dieser Hinsicht bieten u.a. Grundstückseinfahrten und
Radwegfurten in Rendsburg noch erhebliches Verbesserungspotential.
„Ein weiterer Bewertungspunkt unter dieser Überschrift geht auf die Führung durch Baustellen
ein. Aufgrund der praktischen Umsetzung ist häufig die Einrichtung einer eigenen Radweg-führung durch die Baustelle nicht möglich, wenn gleichzeitig Baufahrzeuge diese kreuzen
müssen. In solchen Fällen kann der Radverkehr aus Sicherheitsgründen nicht unmittelbar an
der Baustelle vorbeigeführt werden bzw. ein eigener Radweg bereitgestellt werden. Dann muss
eine Umleitung um den unmittelbaren Baustellenbereich für Radfahrer zugunsten der Sicherheit
in Kauf genommen werden.“
Eine Führung des Radverkehrs an Baustellen könnte leicht gestaltet werden, indem man
den Radverkehr vor dem Baustellenbereich sicher auf die Fahrbahn und nach der
Baustelle zurück auf den Radweg führt. Hierzu gibt es genügend technische Einrichtungen
und Kiel bietet gute Bespiele hierzu.
In Rendsburg wird der Radverkehr beispielsweise zunächst über zwei Ampeln auf den
linksseitigen Radweg geleitet und über zwei Ampeln wieder zurück auf die rechte Seite,
also 4 Ampeln auf ca. 200m.
Bereits im Gesamtverkehrsplanes 2002 wurde durch Prognoseberechnungen festgestellt, dass
besonders die überregionalen Straßen, die durch das Stadtgebiet von Rendsburg verlaufen,
eine starke Verkehrssteigerung aufweisen. Besonders die Straßen des Tangentenringes liegen
im oberen Bereich der Verkehrssteigerungen des Kraftfahrzeugverkehrs. Dies resultiert aus der
Bedeutung für die Durchgangsverkehre und der gleichzeitigen Funktion als Erschließungs-achsen des Stadtgebietes.
Um diese hohen Verkehrsstärken auf den klassifizierten Straßen insbesondere in den Spitzen-
stunden bewältigen zu können, muss eine Ampelschaltung mit Priorität der „Grünen Welle“ für
den Fahrzeugverkehr eingerichtet sein. Dadurch kann die Ampelschaltung auf diesen Hauptach
sen nur bedingt gleichzeitig auf den Radverkehr abgestimmt sein. Diese für die Bewältigung des
Fahrzeugverkehrs notwendigen Ampelschaltungen spiegeln sich in den Ergebnissen dieser
Fahrradumfrage entsprechend wider.
Anhand dieser Argumentation lässt sich der Fehler im System erkennen: Anstatt eine
Entlastung des innerstädtischen Verkehrsproblemes durch den Radverkehr zu erzielen,
wird dessen Attraktivität weiter reduziert. Die Folgen sind eine weitere Zunahme des
Kraftfahrzeugverkehrs, hohe Instandhaltungskosten für die KFZ-Infrastruktur, ein nahezu
unbewohnbarer Tangentenring, schlussendlich: ein geringerer Lebenswert in unserer
Stadt.
Des Weiteren bieten Ampeln ohne Erfassung der Radfahrer auf der Fahrbahn, sowie
unnötig große Räumzeiten Anlass zur Kritik im Klimatest.
Zur Bewertung des Umfragethemas „Sicherheit beim Radfahren“ muss berücksichtigt werden,
dass viele Verkehrsunfälle mit Radfahrern auch durch das Fehlverhalten von Radfahrern verur-
sacht werden. Hierzu zählt u. a. auch das Benutzen des linksseitigen Radweges, ohne dass die
hierfür freigegeben ist. Gleiches gilt für das Befahren von Gehwegen und Fußgängerzonen
und das Nichtbeachten von „Rotphasen“ der Ampelanlagen.
Dies beschreibt genau das aktuelle Verkehrsverhalten von vielen Radfahrern in
Rendsburg! Aus diesem Grunde ist es unserer Ansicht nach dringend notwendig für eine
klare und einheitliche Radverkehrsführung zu sorgen und Radfahren als gleichberechtigte
Form der Mobilität anzuerkennen.
„Die Sicherheit beim Radfahren hängt zusätzlich auch wesentlich davon ab, inwieweit das Rad-
fahren auf der Fahrbahn von den Autofahrern akzeptiert wird. Eine höhere Radverkehrsquote
und damit mehr Radfahrer, die auf der Fahrbahn fahren, würde die Akzeptanz erhöhen und
dazu führen, dass „man auf der Fahrbahn gemeinsam mit dem Auto zügig und sicher Rad
fahren“ kann.
Hierzu ist anzumerken, dass die Ordnungsbehörde der Stadt Rendsburg bereits im Jahr 2010
die Radwegebenutzungspflicht in einer Vielzahl von Straßen im Stadtgebiet aufgehoben hat und damit den geänderten Vorschriften aufgrund der Novellierung der Straßenverkehrsordnung
nachgekommen ist. Lediglich entlang der klassifizierten Straßen und einiger anderer Straßen ist
aufgrund ihrer Funktion und aus Verkehrssicherheitsgründen die Nutzung des Radweges noch
vorgeschrieben.“ Eine erste Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht hat zwar schon stattgefunden, leider
wurde eine Vielzahl von Radwegen, darunter auch viele linksseitige Radwege,
„übersehen“. Die nahezu alltäglichen Erfahrungen mit unnötig eng überholenden und
hupenden Kraftfahrzeugführern zeigen auch, dass die Novelle noch nicht in den Köpfen
angekommen ist. Auch hier könnte mit geringen finanziellen Mitteln Abhilfe geschaffen
werden: gut sichtbare Hinweisschilder, die an neuralgischen Punkten angebracht werden
oder Fahrradpiktogramme auf der Fahrbahn zeigen in anderen Städten eine große
positive Wirkung auf die Akzeptanz.
Wir fordern die Einrichtung eines Radverkehrsforums zu Umsetzung des Zieles „Die Stadt
Rendsburg ist fahrradfreundliche Stadt“ (Senatsbeschluss vom 7. Mai 2015)!
Hierzu verweisen wir wieder auf die Stadt Kiel, wo ein solche Forum seit Jahren besteht
und gute Ergebnisse bringt.
Die Förderung des Radverkehrs muss nicht viel Geld kosten, sondern vor allem gute
Ideen und den Willen zur Umsetzung!


Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club e.V. Rendsburg


Bodo Schnoor                Christian Scherpe                 Torben Frank
Ortsgruppensprecher  Verkehrspolitischer Sprecher Verkehrsrechtlicher Sprecher

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 30. Juni 2015 um 09:18 Uhr
 

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