Gegen Radwegebenutzungspflichten vorgehen Drucken E-Mail

(TF) Radfahrende wollen vom Kfz-Verkehr separiert werden. Der ADFC Rendsburg setzt sich für Radverehrsanlagen nach Stand der Technik ein. Doch nicht immer gibt es den Raum oder geeignete Verkehrsflächen. Und wenn es keine geeignete Verkehrsfläche gibt, wird die Benutzung gerne rechtswidrig erzwungen. Die Radwegebenutzungspflicht soll aber seit 1998 den Ausnahmefall darstellen. Gegen die blauen Schilder mit weißem Fahrradpiktogramm, welche nach § 2 IV 2 StVO an einem zu einer Straße gehörigen Radweg eine Benutzungspflicht anordnen, kann vorgegangen werden. Empfehlenswert ist die Darstellung des ADFC Bottrop.

Rechtslage

Seit 1. Oktober 1998 gilt das Fahrbahnbenutzungsgebot für Fahrräder. Radfahrende müssen im Regelfall "mitten auf der Straße" fahren (§ 2 StVO). In Fahrtrichtung rechts vorhandene Radwege dürfen benutzt werden. Die Streichung der allgemeinen Radwegebenutzungspflicht erfolgte infolge der Erkenntnisse der Unfallforschung. Nur ausnahmsweise an geeigneter Verkehrsfläche darf eine Radwegebenutzungspflicht angeordnet werden, wenn eine qualifizierende Gefahrenlage besteht. Innerorts ist es häufig sicherer, den Radverkehr im Mischverkehr auf der Fahrbahn zu führen, so wie es aktuell in der sanierten westlichen Hollerstraße in Büdelsdorf geschieht.
In der Theorie sollen Radfahrende fast überall im Mischverkehrs auf der Fahrbahn geführt werden. Das Radfahren auf der Fahrbahn ist der Regelfall. Baulich vorhandene rechte Radwege dürfen sie optional benutzen. Linke Radwege können mit alleinstehendem Zusatzzeichen "Radverkehr frei" zur optionalen Nutzung freigegeben werden. Gehweg mit Zeichen 239 StVO "Fussweg" und Zusatzzeichen "Radverkehr frei" sind Fussverkehrsanlagen, auf denen Radfahrende nachrangig mit Schrittgeschwindigkeit geduldet werden. Gemeinsame Fuss- und Radwege ohne Benutzungspflicht sind durch das entsprechende Sinnzeichen auf der Fläche erkennbar. Nur im Ausnahmefll steht an einer zur Straße gehörigen Verkehrsfläche ein Zeichen 237, 241 oder 240 StVO. Der benutzungspflichtige Radweg stellt also eine Ausnahme dar.

Situation in der Praxis

Leider sind im Raum Rendsburg die ""Blauen Lollies", das sind die Zeichen 237, 241 und 240 StVO noch wild gestreut. Zum Teil handelt es sich um Nichtakte aus der Zeit vor 1998, andere sind wegen schwerer Ermessensfehler nichtig. Wegen des besonders hohen Unfallrisikos soll es innerorts keine linksseitigen Radwegebenutzungspflichten geben (vgl. Rn. 33 VwV-SVO zu § 2 Abs. 4). Wo Radwegenutzungspflichten für notwendig erachtet wurden, darf es keine 30-Zone geben (vgl. § 45 Ic StVO). Wer sich die innerörtliche Situation an den Ortsdurchfahrten unserer Region ansieht, stellt fest, dass es dort häufig linksseitige Zeichen 240 StVO gibt. Diese belasten auch den Fussverkehr, weil es sich um gemeinsame Fuss- und Radwege handelt. Wer sich "An der Hochbrücke" in Osterrönfeld ansieht, stellt fest, dass sich auf einer Seite an einem Gehweg in beide Richtungen Zeichen 240 StVO befinden, welche in der 30-Zone eine Benutzungspflicht auf einer dafür ungeeigneten Verkehrsfläche anordnen.

Außerorts kann eine Radwegbenutzungspflicht leichter angeordnet werden (§ 45 IX 4 StV). Das bedeutet aber nicht, dass es dort willkürlich geschehen dürfte. So müssen die Belange des Fusverkehrs beachtet werden, eine geeignete zumutbare, stetig benutzbare Verkehrsfläche muss vorhanden sein. Wie man es nicht macht, zeigt dieneue Situation im Klinter Weg zwischen Fockbek und Rendsburg. Dort gibt es keine geeignete Verkehrsfläche. Die Belange des Fussverkehrs wurden nicht berücksichtigt, Auf einer Veloroute wäre auch angesichts des hohen Fussverkehrs die Trennung von Fuss- und Fahrzeugverkehr geboten.

Rechtsmittel

Im oben verlinkten Artikel des ADFC Bottrop gibt es genauere Erläuterungen. In Schleswig-Holstein sind derzeit noch Anfechtung über Widerspruch binnen eines Jahres nach erster Betroffenheit und ansonsonsten der Antrag auf Neubescheidung möglich. Für das Gebiet der Stadt Rendsburg ist die Stadtverwaltung zuständig, für die anderen Kommunen und den außerörtlichen Bereich stellt der Kreis Rendsburg die Straßenverkehrsbehörde. Fachaufsicht ist der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV SH). Sollte eine Klage notwendig werden, ist das Verwaltungsgericht Schleswig zuständig. In der ersten Instanz ist keine anwaltliche Vertretung notwendig. Angesichts der Komplexität des Verkehrsverwaltungsrechts ist ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht empfehlenswert. Es gibt ein Netzwerk fahrradaffiner Juristen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Der Gang vor das Verwaltungsgericht beinhaltet ein Kostenrisiko.
Der Widerspruch leitet die Anfechtungs-, der Antrag auf Neubescheidung die Verpflichtungsklage ein, falls nach negativem Bescheid geklagt werden soll. Erfolgt kein Bescheid binnen 3 Monaten nach Eingang, kann die Bescheidung vor dem Verwaltungsgericht erzwungen werden. Selbst ein Gerichtsbeschluss oder -urteil hat nicht zwingend zur Folge, dass dieser umgesetzt wird. Unter Umständen muss die Vollstreckung über das Gericht beantragt werden.
Sowohl Antrag als auch Widerspruch sollten eine Erklärung zur Betroffenheit beinhalten. Bei gemeinsamen Fuss- und Radwegen sind auch die zu Fuss Gehenden betroffen.

Wer gegen eine Radwegebenutzungspflicht im Raum Rendsburg vorgeht, wird gebeten, uns darüber in Kenntnis zu setzen.

Kostenrisiko

Da Aktive der Ortsgruppe Rendsburg schon Erfahrungen gemacht haben, sollten Kostenfallen und Tricksereien der Verwaltungen nicht unbenannt bleiben. Die Verwaltung versucht, Betroffene durch Zermürbung und Erhöhung des Kostenrisikos an der Wahrnehmung ihrer Rechte zu hindern.
1.) Gegen das Dauerrotlicht der Ampel Hollerstraße-West/B 203, deren Induktionsschleife Radfahrende nicht erkannte, legte ein Aktiver der Ortsgruppe Widerspruch ein. Radverkehr wurde in der westlichen Hollerstraße auf der Fahrbahn geführt, für den in Fahrtrichtung rechten Radweg vor Sanierung bestand ein Benutzungsrecht (§ 2 IV StVO). Zum Direkten Linksabbiegen nach § 9 StVO dürfte auch ein benutzungspflichtiger Radweg verlassen werden.
Der Widerspruch wurde nicht beschieden. Der belastete Verkehrsteilnehmer zog vor das Verwaltungsgericht. Vor dem Termin wurde neue Tatsachen geschaffen, ein Zeichen 241 StVO ordnete plötzlich eine Stummelradwegebenutzungspflicht an. Ein umformulierter Widerspruch wurde notwedig, die Kosten wurden im Vergleich verteilt, der Kläger durfte seine Anwaltskosten tragen.
Auf den nächsten Widerspruch gab es einen negativen Bescheid. Der Betroffene klagte. Vor Gericht erschien der Vertreter des Kreises und teilte mit, dass der Bescheid zurückgezogen würde. Folgerichtig gibt es einen protokollierten Gerichtsbeschluss, welcher dem Kläger Recht gibt.
Jahrelang tat sich nichts. Der rechtswidrige Zustand blieb bestehen. Die StVB des Kreises ordnete schließlich gegenüber dem LBV SH (Bundesstraße) an, den Zustand zu ändern. Bis vor wenigen Monaten gab es keine Änderung. Es ist anzunehmen, dass bei angesetzter Vollstreckung plötzliche Aktivität erfolgt wäre.
2.) Ein anderer Aktiver hatte wegen der geringeren Steigung die Aalborgstraße in Rendsburg für sich als Alternative zur Kieler Straße auf dem Weg zur Audorfer Fähre entdeckt. Die unzumutbaren Hochbordradwege durch die dooring zone der Parklängsstände waren mit Zeichen 241 StVO versehen. Der Antrag vom Sommer 019 wurde nicht beschieden, aber die "blauen Lollies" wurden sogar über die Aaalborgstraße hinaus in der AKL bis zum Röhlingsweg abgeordnet. Kosten entstanden für den betroffenen Radfahrenden nicht.

Welche Kosten entstehen, wenn die blauen Lollies nicht agefochten werden?

Die Verkehrszeichen 237, 241 und 240 StVO ordnen eine Benutzungspflicht auf Radwegen im Zuge von Straßen an. Das setzt nach regelmäßiger Rechtsprechung Benutzbarkeit und Zumutbarkeit voraus. Wer wegen einer Mülltone, eines parkenden Kfz o.ä. auf der Fahrbahn fährt, dennoch von der Polizei angehalten wird, sollte die Situation eindeutig photographieren. Eindeutig bedeutet, dass z.B. markante Häuser im Hintergrund oder gar die Hausnummer ud ein Straßenschild erkennbar ist. Für mehrspurige Fahrräder oder Gespanne gibt es in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 in der Randnummer 23 eine Klausel, dass die Nichtbeachtung der Benutzung im Einzellfall nicht beanstandet werden solle.
Nun gibt es aber auch Nichtakte oder wegen schwerer Ermessensfehler nichtige Anordnungen. Im Anhörungsbogen zum Verwarnungsgeldangebot oder im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid kann das dargelegt und erörtert werden. Der Erfahrung nach wird ein Einspruch nicht gelesen oder in Unkenntnis der Materie durch den Sachberbeitenden ignoriert.
Der Satz für das Bußgeld für die Nichtbenutzung eines benutzungspflichtigen Radweges beträgt 20 €. Da die Landespolizei oder die Bußgeldstelle Radfahrende generell als Behinderung zu betrachten scheinen, werden 25 € für "mit Behinderung" fällig, unabhängig davon, ob wirklich eine Behinderung vorgelegen hätte. Bei "Vorsatz" verdoppelt sich der Satz. Wer betont, er führe im Interesse seiner Sicherheit nicht auf dem betreffenden Radweg, dem wird Vorsatz unterstellt.
Wer Rechtssicherheit auf seinen Alltagsstrecken wünscht, muss verwaltungsrechtlich gegen die blauen Lollies vorgehen. Der Kreis hat erst langsam begonnen, die Fahrradnovelle der StVO von 1997 umzusetzen. In Rendsburg tut sich bedauerlicherweise kaum etwas. Daher müssen wir als betroffene Radfahrende die Umsetzung von Recht erzwingen.

Gebotszeichen 237 etc. StVO

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 08. Juni 2022 um 15:16 Uhr
 

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