Warum wollen Fahrradaktivisten breitere Radwege? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: TF   
Montag, den 09. Januar 2023 um 16:11 Uhr

Beiträge im Blog geben nicht zwingend die Meinung der Ortsgruppe oder des ADFC wieder. In diesem Falle erläutert unser Verkehrsrechtlicher Sprecher Torben Frank die Erfordernis von Mindestbreiiten von Radverkehrsanlagen.

Ich bin geten worden, mal etwas zu Erfordernissen der Breite von Radverkehrsanlagen zu schreiben. Anlaß ist das mir mitgeteilte Unverständnis Außenstehender über die Forderung nach breiten Radwegen.

Mindestbreite des Bürgersteigradwegs

Die Mindestbreite für einen benutzungspflichtigen Hochbordradweg ist 1,5 m bzw. 2 m im Altbestand nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4. Allerdings gibt es keinen Bestandsschutz, sondern nach längerer Zeit dürfen die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der FGSV als verbindlich betrachtet werden. Für Radwegeneubaten, egal ob benutzungspflichtig oder nicht, sind sie verbindlich heranzuziehen. 1,6 m plus Sicherheitstrennstreifen sehen die ERA 2010 für den Einrichtungsradweg bei geringem Radverkehrsaufkommen vor. Das bezieht sich jetzt auf Hochbordradwege. Auch Schutzstreifen dürfen nicht willkürlich gepinselt werden, Radfahrstreifen ebenso nicht. Die kommende ERA-Fassung wird wohl auch geschützte Radfahrstreifen enthalten. Würde sichmal ein Entscheider für die Thematik interessieren, fände er oder sie in den ERA der FGSV in einem Eingangskapitel Eläuterungen zum Raumbedarf.

Physikalische, technische und rechtliche Erfordernisse

Warum reichen schmale Radwege nicht aus? Geht es um bloßen Komfort, wenn mehr Breite gefordert wird?
Es gibt neben dem Komfortbedarf physikalische Erfordernisse, aber auch welche der Verkehrssicherheit. Und ein Radfahrender mi 32 mm-Bereifung ist eben nicht 32 mm breit, sondern hat eine deutlich größere Breite, bestimmt durch Lenker, Schultern, Körperhaltung mit Ellenbogen und Ladung. Hinzu kommt, dass einspurige Fahrzeuge antriebsbedingt schwanken. Je langsamer gefahen wird, desto mehr trifft der Begriff "Torkelradler".
Radverkehr ist eine sehr heterogene Gruppe von Verkehrsteilnehmern. Der Auch-mal-Radfahrer mit rostiger Kette ist deutlich langsamer als die dynamische Alltagsradfahrende auf ihrem gepflegten Tourenrad. Dann kommt das E-Lastenrad. Es gibt also sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten. Und manch einer hat seine Übersetzung so optimiert, dass sie bei seiner Alltagsgeschwindigkeit im verschleissärmsten Gang fährt. Bei Kettenschaltungen ist es die gerade Kettenlinie, bei Nabenschaltungen ist es der Direktgang. Die Shimano Nexus Premium etwa ist im 5. Gang verschleißarm nutzbar.Am Berg im 1. Gang soll das Anfahren möglich sein, so wird die Übersetzung gewählt, bei mir etwa 38:19 oder 38:18. Das bedeutet dass im 5. Gang die üblichen rund 20 km/h liegen. Abenteuer mit 45:22 ermöglichen zwar auch 35 km/h, sind aber beim Anstieg unpraktikabel. Geometrie des Fahrradtyps und Haltung spielen auch eine Rolle bei der Geschwindigkeit. Die Technik ist also ein Faktor bei der Geschwindigkeit. Die Kondition ist neben den Kriterien des § 3 StVO ein weiterer Faktor der Geschwindigkeitswahl. Wir haben also deutliche Geschwindigkeitsunterschiede Radfahrender.
Und da wären wir beim nächsten Problem. Die Verkehrssituation auf einem schmalen Radweg erfordert ein geringeres Tempo. Grenzt der schmale Radweg direkt an einen schmalen Gehweg, können 15 km/h zu schnell sein. Tritt ein zu Fuss Gehender plötzlich auf den Radweg, ist ein Sturz auf die Fahrbahn wahrscheinlich. Führt ein schmaler Radweg durch eine dooring zone, können 15 km/h zu schnell sein. Neben der Breite des Radwegs sind deshalb auch Sicherheitstrennstreifen vorgeschrieben. Dann können Radfahrende Sicherheitsabstände wahren. Zu parkenden Autos werden 0,75 bis 1,25 m Abstand empfohlen, um einen potentiell tödlichen dooring-Unfall zu vermeiden.
Das Ausweichen auf den Gehweg ist verboten. Schon die Luftverletzung ist unzulässig. Es mag sein, dass der regelunkundige Dorfsherriff das anders sieht, aber im Falle eines Unfalls kommt das böse Erwachen. Es ist ein Sicherheitsrennstreifen zwischen Rad- und Gehweg vorgeschrieben.

Radverkehrsförderung als Ziel

Nun soll der Radverkehr gefördert werden, weil er nachhaltig und gesund ist, außerdem enorm Kosten spart. Konkurrenzfähigkeit ist wichtig, um den Umstie zu erleichter. Komfortable Radverkehrsanlagen sind Voraussetzung für die Verkehrswende. Die Erfüllung des Standes der Technik ist Voraussetzung für die Sicherheit. Breite ist dabei ein Parameter der Konfliktvermeidung. Wir wollen sichere Straßen, die Senkung der Zahl der Unfallopfer ist ein ausgegebenes Ziel. Deswegen ist es notwendig, Verkehrsraum sicher zu gestalten. Was im einzelnen notwedig ist, entscheidet sich durch Straßenquerschnitt und Verehrsaufkommen.
Nun haben wir im Raum Rendsburg im Bestand nur unzumutbar schmale Radwege. Und da sieht das Bundesrecht ganz klar vor, dass es keine Radwegebenutzungspflichten geben darf. Diese dürfte nur angeordnet werden, wenn im Mischverkehr auf der Fahrbahn die Gefahrenlage objektiv jene auf dem Schrottradweg übersteigt (BVerwG 2013). Das ist in den seltensten Fällen der Fall.
Wenn also Bundesrecht umgesetzt wird, fahren Radfahrende, die zügig und sicher vorankommen wollen nach § 2 StVO auf der Fahrbahn. Den übrigen Radfahrenden bleibt die Option, doch auf dem Radweg zu fahren. Da, wo es baulich angelegte Radwege in Fahrtrichtung rechts gibt, wird also niemandem etwas weggenommen, wenn die Benutzungspflicht fällt. Nur bei gemeinsamen Fuss und Radwegen wird es komplizierter, ohne Maßnahme bleibt ein reiner Gehweg, dessen Benutzung ab 55 € aufwärts kosten kann, vorausgesetzt es gibt eine regelkundige Rennleitung. Im Raum Rendsburg wird aber eher der sicherheitsbewusst und regelkonform "mitten auf der Straße" Radfahrende belästigt werden.

Fazit

Wenn der Alltagsradfahrer sein Ziel zügig unsd sicher erreichen will, die Konkurrenzfähigkeit des Fahrrads zu anderen Verkehrsarten bestehen soll, ist es notwendig, gute Radverkehrsinfrastruktur zu schaffen. Angesichts der Heterogenität des Radverkehrs muss ein sicheres und problemfreies Überholen untereinander möglich sein.  Bauliche Mindeststandards sind also nicht einer Phantasie irgendwelcher Ideologen entsprungen, sondern sind sehr gut begründet. Den Erkenntnissen der Unfallforschung und den ermittelten physikalischen Erfordernissen folgend, haben Juristen, Bauingenieure und weitere Akteure Richtlinien und Regelwerke geschaffen. Die Forderung nach ausreichend breiten Radwegen ist also rechtlich durchsetzbar.
Da die Akteure vor Ort in Verwaltungen und Kommunalpolitik die Erkenntnisse und Vorschriften sowie Hinweise darauf ignorieren, ist eine andere Gangart notwendig. Der diplomatische Weg ist gescheitert, Das mag nach Außen wie "Krawall" wirken, ist aber niwendiger Widerstand gegen Willkür zu Lasten der Verkehrssicherheit und des Komforts Radfahrender.

Nachtrag 1

Der Autor wurde darauf hingewiesen, dass auch der seitliche Sturz auf die Fahrbahn eine Rolle spiele. Wer auf einem 1,2 m schmalen Hochbordradweg seitlich stürzt, etwa wegen eines Belagschadens wie einem Wurzelaufbruch oder plötzlich auf den Radweg tretenden Fussverkehr, stürzt unter Umständen direkt auf die Fahrbahn. Halten Kraftfahrzeuge nur 0,5 m Abstand zum Fahrbahnrand, können Oberkörper und Kopf im Radkasten enden. Bei Befolgung des Rechtsfahrgebotes auf einem 1,6 m breitem Radweg mit 0,25 m Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn sinkt dieses Risiko enorm, es bliebe nur beim Sturz.

Nachtrag 2

Die Regelwerke wurden novelliert. "Neben der Klimarelevanz stehen Verkehrssicherheit und -qualität, insbesondere für den Fuß- und Radverkehr, einschließlich der Barrierefreiheit im Vordergrund." Es gibt neue Mindestmaße. "Radwege sollen dann auch mindestens 2 Meter breit sein statt 1,60 Meter. Für Radschnellwege soll ein Maß von 3 Meter pro Fahrtrichtung gelten. Schutzstreifen auf der Fahrbahn sollen nicht mehr 1,25 Meter breit, sondern mindestens 1,50 Meter breit gestaltet und nach Möglichkeit noch breiter werden."
Quelle der Zitate: https://www.fgsv.de/aktuelles/news-details/neue-entwurfsregelwerke-bevorzugen-fuss-und-radverkehr
Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 22. Januar 2023 um 16:04 Uhr
 

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