B 203 ist schlechte Wegewahl, Wegeplanung mit Hilfe des Unfallatlas Drucken
Geschrieben von: TF   
Mittwoch, den 03. August 2022 um 15:11 Uhr
Beiträge im Blog geben Einzelmeinungen wieder, nicht zwingend die Auffassung der Ortsgruppe. In diesem Beitrag gibt der Verkehrsrechtliche Sprecher unserer Ortsgruppe Torben Frank, der sich auch nebenher intensiv mit den Erkenntnissen der Unfallforschung beschäftigt, erläutert, warum der Verlauf der Ortsdurchfahrten der B 203 im Raum Rendsburg eine schlechte Wahl ist.

(TF) Radfahren ist eine sehr sichere Mobilitätsform, wenn es richtig praktiziert wird. Auch die Wahl des Weges gehört zu den Sicherheitsmaßnahmen. Gerade da, wo zumutbare Radverkehrsanlagen nach Stand der Technik nicht kurzfristig realisiert werden können, bieten Alternativrouten wie Veloroutennetze über eigenständig geführte Radwege und Fahrradstraßen eine gute Alternative, wenn sie gut durchdacht und ausgeführt werden.

So wird beim Blick in den Unfallatlas für 2021 schnell klar, dass die Streckenwahl der Ortsdurchfahrt der B 203 schlecht ist. Wer sich die Vorjahre ansieht, stellt fest, dass sich die Schwerpunkte nur geringfügig verlagern. Es betrifft über den Gesamtzeitraum den gesamten Verlauf als Rendsburger Straße in Fockbek, Fockbeker Chaussee, Hollesenstraße, Thormannplatz in Rendsburg und Brücken- sowie Hollerstraße in Büdelsdorf.

Wo liegen die Ursachen?
Es sind radwegetypische Unfälle. Die unzumutbaren Radwege der Ortsdurchfahrten stammen aus den 1980er. Sie entsprechen also jenen Standards, welche die radwegetypischen Unfälle begünstigen. Die Sichtbeziehungen sind mies.
Es gibt Konflikte mit Fussverkehr. In der östlichen Hollerstraße zwischen Ulmenstraße und Ortsausgang in Richtung Eckernförde finden wir in Büdelsdorf gemeinsame Rad- und Gehwege vor. Diese sind schmal, zu allem Überfluss auch noch in Fahrtrichtung sowohl rechts als auch links mit zeichen 240 StVO versehen. Auf engstem Raum finden also in zwei Richtungen Radverkehr und Fussverkehr statt. Diese Radwege führen unmittelbar durch die Wartebereiche zum Teil stark frequentierter Bushaltestellen. Die gleiche Situation der Enge haben wir in der Rendsburger Straße in Fockbek, wo dann auch noch ein höheres Fussverkehrsaufkommen vor Ladenzeilen hinzukommt. Im Rendsburger Abschnitt wurde vor wenigen Jahren die Fockbeker Chaussee zwischen Fockbek und Friedrichstädter Straße erneuert. Die katastrophalen Zustände dort sind einen eigenen Beitrag wert. Aber zumindest gibt es keine Zweirichtungsführung auf den Gehwegen, welche schon in der Planungsphase unterdimensioniert waren. Breite Längsrillen zur verbesserten Baumbewässerung zwischen Friedrichstädter und Büsumer Straße begünstigen Alleinunfälle durch Straßenbahnschieneneffekt. Es gibt dann auch keine Stetigkeit wegen inkonsistenter Beschilderung, außerdem ist der "Radweg" in Gegenrichung vor einer Ampel mehr als 5 m versetzt, damit der eigenständig geführte gemeinsame Fuss und Radweg aus Richtung Am Armensee und Sportstätten durch die Ampelschaltung benachteiligt werden kann. Wenn der Radweg nicht zur Straße gehört, ist er auch nicht benutzungspflichtig. Wer aus Am Armensee nach Rechts abbiegen will, unterliegt auch der Fahrbahnbenutzungspflicht aus § 2 StVO, weil es sich um einen reinen Gehweg handelt. Aus der Buüsumer Straße kommend haben Radfahrende in Richtung Fockbek die gleiche Situation. In Richtung Rendsburg kann dann der eigenständig geführte Radweg mit Bettelampel und zweiter Ampelphase genutzt werden, oder eben die Fahrbahn nach § 2 StVO. Die Unfälle im letzteren Bereich der B 203 finden vorrangig an Einmündungen statt, sind also radwegetypische Unfälle, bei denen ein Radfahrender bei Grün fährt und von einem abbiegenden Kfz-Führer "übersehen" wird. "Übersehen" ist ein Euphemismus, welcher dem Opfer einer Vorrangmissachtung sprachlich eine Schuld zusprechen soll, als wenn es sich unsichtbar gemacht hätte.
Etwa 25 % der abbiegewilligen Kfz-Führer tätigen keien Schulterblick (UdV). Der radwegetypische Abbieeunfall ist die Folge. Wenn die Lichtsignalanlagen für geradeaus Radfahrende und Abbiegenden übrigen Fahrbverkehr gleichzeitig grün zeigen, sind Konflikte vorprogrammiert. Leider verweigert sich der LBV SH, welcher für die Bundesstraßen zuständig ist, moderner, sicherer Schaltungen. Der Landesbehörde ist die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr wichtiger als das Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer. Damit Radfahrende diese Leistungsfähigkeit nicht stören, wird auch an rechtlich nicht haltbaren Benutzungspflichten der unzumutbaren "Radwege" festgehalten. Hier dürfte es inzwischen geboten sein, erheblichen Druck auf die Straßenverkehrsbehörden auszuüben, etwa über Widersprüche und Anträge, um überhaupt Verbesserungen herbeizuführen. Der status quo begünstigt schlichtweg Unfälle. Übrigens sagen Verwaltungsgerichte, dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor der Leichtigkeit des Verkehrsflusses habe. Dabei berufen sie sich auf normatives Recht, welches den Beteiligten im Raum Rendsburg offensichtlich völlig egal ist.
Ein Beispiel für Verbesserungspotential ist in Büdelsdorf die Ampel Am Friedrichsbrunnen. Ferzeit haben Rechtsabbieger und geradeaus Radfahrende gleichzeitig Grün. Radfahrende verhindern Unfallhäufungen, weil sie unnötig zurückstecken. Da es sich um eine T-Kreuzung handelt, wäre eine gesonderte Schaltung für Rechtsabbieger gleichzeitig mit aus Am Friedrichsbrunnen ausbiegenden Fahrzeugen problemlos realisierbar, wenn die Ampelschaltung für den Fussverkehr (zumutbar) angepasst würde. Dann gäbe es eben zwei kurze Grünphasen für den abbiegewilligen Kfz-Verkehr mit Grünem Lichtpfeil. Es gibt auch andere Methoden.

Alternative Routen
Wer auf Kartenwerke blickt, stellt fest, dass es häufig parallele Straßensysteme gibt.Die Wahl erfolgt dann in Hinblick auf die Quell-Ziel-Relation individuell.
Wer aus Borgstedt kommend über Rossahlredder und Hochmoorredder in Richtung Neue Dorfstraße in Büdelsdorf fährt, muss weniger Einschränkungen durch den unzumutbaren gemeinsamen Fuss- und Radweg hinnehmen. Ab Am Fischerende über den Neuen Gartenweg.
Eine Alternative ist es, über Memelstraße, Sudetenstraße, Berliner und Wilhelmstraße zu Am Friedrichsbrunnen zu fahren, die B 203 zu queren und nach wenigen Metern rechts in Richtung Kaiserstraße zu verschwinden. Diese böte sich in ihrem gesamten Verlauf eigentlich regelrecht als Fahrradstraßennetz an. Bauliche Veränderungen wären nur über Parkallee und Am Markt notwendig. Leider wurde die bei vielen Pendlern beliebte Verbindung zur Löwenstraße gekappt respektive erschwert.
In Rendsburg gibt es nur mit dem Rotenhöfer Weg eine wirklich gute Alternative. Für viele Quell-Ziel-Verbindungen ist der Klinter Weg einfach zu sehr Umweg, außerdem gibt es zwischen "Blauer Brücke" und Fockbeks Ortseingang eine äußerst unfallträchtige Radverkehrsführung mit Zeichen 240 StVO auf dafür ungeeignetem Gehweg, der schlichtweg zu schmal ist.

Mächtiges Werkzeug
Der Unfalltalas der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist ein mächtiges Werkzeug, um individuelle Wahl von Wegen sicherheitsorientiert zu treffen. Es muss ganz einfach nur der Filter gesetzt werden, dass nur Unfallorte mit Fahrradbeteiligung angezeigt werden. Zwar fehlt die Information, auf wieviele Radfahrende ein Unfall kommt, aber es lassen sich Abschätzungen treffen, wie groß das Unfallrisiko auf einem Abschnitt ist, wenn es über Jahre immer wieder Aufnahmen von Unfällen mit geschädigten Radfahrenden gibt. Wer sich dann noch die Zeit nimmt, im Presseportal nach Unfallmeldungen zu suche, kann noch besser beurteilen, wie groß sein individuelles Risiko auf der Strecke ist. In Bezug auf die Ortsdurchfahrten waren die verunfallten Radahrenden häufig auf dem linken Radweg unterwegs.
Es lohnt sich ohnehin, sich mal mit echten Unfallrisiken zu beschäftigen, anstatt urbanen Mythen oder Stammtischparolen zu folgen. Wer dem subjektiven Sicherheitsempfinden folgt, hat bei der vorhandenen schlechten Infrastrutur im Raum Rendsburg ein hohes Unfallrisiko. Und manchmal kann übrigens schon der Rückschnitt der Begrünung helfen, Sichtbeziehungen zu verbessern und Unfälle zu vermeiden.