Vehicular cycling? - Radfahren "mitten auf der Straße" und der Wunsch nach guten Radverkehrsanlagen |
Geschrieben von: TF |
Montag, den 12. Dezember 2022 um 14:22 Uhr |
Beiträge im Blog geben die Meinung einzelner Autoren, nicht zwingend der Ortsgruppe oder des ADFC wieder. Hier erläutert unser Aktivwer und Verkehrsrechtlicher Sprecher Torben Frank, warum er wie einige andere Radfahrende auch lieber auf der Fahrbahn als auf den üblichen Radwegen fährt. Warum bei fallenden Radwegebenutzungspflichten niemandem etwas genommen wird, wird auch erklärt. Es sei betont, dass der ADFC sich für die Schaffung von Radverkehrsanlagen nach Stand der Technik einsetzt. Das Prinzip vehicular cyclingRechtlich sind Fahrräder Fahrzeuge (vgl. § 1 StVG, § 63a StVZO), mit denen auf der Fahrbahn gefahren werden muss (§ 2 StVO). Fahrbahn, das ist der Straßenteil, der im Volksmund "Straße" genannt wird. Die Fahrbahn ist zuerst einmal der Verkehrsbereich, wo alle Verkehrsarten unterwewgs sind. Gibt es einen zumutbar benutzbaren Gehweg, müssen zu Fuss Gehende ihn benutzen (§ 25 StVO). Der Gehweg ist ein Straßenteil, ein Sonderweg. Es gibt also eine Gehwegbenutzungsflicht für Fussverkehr. Anders als insbesondere Polizisten und kommunale Verwaltungsmitarbeiter meinen, ist Radverkehr kein Fussverkehr. Radverkehr ist Fahrzeugverkehr. Und Gehwege sind Schutzräume für Fussverkehr. Das müssen sich auch Radfahrende bewußt machen: sie führen ein Fahrzeug. Kinder unter 8 bzw. 10 Jahren bleiben bei diesen Betrachtungen außen vor (vgl. § 2 V StVO). Hierarchie im Verkehrsrecht?Zuletzt vor rund einem Monat an einem Samstag belästigte eine Streifenwagenbesatzung den Autor dieser Zeilen. Sie waren angesichts des Agebotsradwegs in der Eckernförder Straße der Auffassung, wo ein Radweg sei, müsste der Radweg benutzt werden. Es nicht zu tun, wäre eine Verkehrsbehinderung. Darin zeigte sich das übliche Verkehrsquerdenkergeschwurbel. Radverkehr wäre kein Verkehr und hätte dem Kraftfahrer nicht im Weg zu sein. Der Radfahrerende habe zu kuschen Interessanterweise ist das die Verkehrsrechtsauffassung, welche in der RStVO von 1934 galt. Doch ist das das Verkehrsrecht in der Bundesrepublik? Gibt es eine Hierrarchie, nach der das Automobil Herrenfahrzeug ist und sich in einer Verkehrsmittelapartheid alle anderen Verkehrsarten unterzuordnen hätten? Nein! S kann der § 1 StVO kann als Beleg angeführt werden, dass diese Hierarchienicht gegen ist; viel mehr haben sich die "Stärkeren" den "Schwächeren" unterzuordnen.ÂÂÂÂÂÂ Ein Sozialdarwinismus ist im Verkehrsrecht also nicht gegeben, sondern eher eine christlich-jüdische Tradition. Gut ausgebauter Radweg?Auf Unverständnis stößt es, wenn vehicular cyclists Radwege rechts liegen lassen und lieber "mitten auf der Straße" radfahren. Unkundige Beobachter halten das für Selbstgefährdung, Automobilisten unterstellen vorsätzliche Verkehrsbehinderung, bösartige blaubraun verSUVte Vertreter des bewaffneten Arms der Autolobby (Polizei) rennen zum Arbeitgeber und unterstellen dem vehicular cyclist border liner, weil er sich selbst gefährde und andere Verkehrsteilnehmer provoziere. Als wenn regelkonformes Verhalten provozieren dürfte ... Was gilt eigentlich in der Alltagspraxis für Radfahrende?Es gilt für Radfahrende ein Fahrbahnbenutzungsgebot oder eine Fahrbahnbenutzungspflicht. Das gilt, weil Fahrräder Fahrzeuge sind und Fahrzeuge auf der Fahrbahn fahren müssen. Radfahrende müssen "mitten auf der Straße" fahren. Dabei ist die rechte Spur der Fahrbahn zu wählen. Zum Fahrbahnrand stehen Radfahrenden 0,5 bis 1 m Sicherheitsabstand zu,ÂÂÂÂÂÂ zu parkenden Autos 0,75 bis 1,25 m. Das sind Sicherheitsabstände, welche im eihgenen Sicherheitsinteresse eingehalten werden sollten. Wer zu weit rechts fährt, wird schlecht wahrgenommen, außerdem lädt der Gossenradler zum engen Überholen ein. Das Nichthandeln der VerwaltungenZuständig ist für die verkehrsrechtliche Anordnung die Straßenverkehrsbehörde. Das ist der Kreis respektive im Stadtgebiet Rendsburg die Stadt. Fachaufsicht ist der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV SH). Diese hatten 1997 vom Verordnungsgeber die Hausaufgabe aufbekommen, bis zum 30. September 1998 zu prüfen, welche "blauen Lollies" noch stehenbleiben müssen. Diese Arbeit wurde nicht erledigt. Auch andernorts gab es Defizite bei der Umsetzung, wie ein Artikel der Stiftung Warentest von 2013 aufzeigt. In Berlin hatte unter anderem ein fahrradaffiner Jurist diverse Radwegebenutzungspflichten angefochten oder Neubescheidungen beantragt. Das führte zum Umsetzungen seitens der Verwaltung. Der Kreis RD-ECK hat 2019 begonnen, die Versäumnisse nachzuarbeiten. Rechtstaatliches Verwaltungshandeln setzt voraus dass die Verwaltung sich an das Recht hält. Dieser Beitrag zeigt auf, dass die Kommunal- (StVBen) und Landesverwaltung (Polizei) schwere Defizite aufweisen, wenn es um Radverkehr geht. Vehicular cyclists leiden unter dem vergifteten Verkehrsklima sowie der Rechtsunsicherheit wegen der vielen Nichtakte (Altbestand von Z. 237, 241 oder 240 StVO aus der Zeit vor 1998 ohne Anordnung), nichtigen Anordnungen (wegen schwerer Ermessensfehler, die für den Laien erkennbar sind) und der Willkür. Nachtrag 22. September 2023: In einer eMail verwies ein Leser auf einen Artikel, eine Medienmitteilung der UdV, nach deren Untersuchung die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht die Sicherheit nicht verbessere. Der Fehlschluss dürfte sein, dass jene rund 7 % vor allem männlicher Radfahrender, die dann auf der Fahrbahn fahren, ebenso nicht sicher wären. Das ist die falsche Deutung. Die Radwegebenutzungspflicht-Aufhebung hat keine positiven Effekte, weil rund 93 % der Radfahrenden weiterhin den Angebotsradweg nutzen. Dass weiterhin die meisten Radfahrenden den Radweg nutzen, wissen wir aus einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen. Das Sicherheitsempfinden durch Separation oder schlicht Unkenntnis der Regel und ihrer Hintergründe führt dazu, dass die Mehrheit unkritisch Radwege nutzt. |
Zuletzt aktualisiert am Freitag, den 22. September 2023 um 12:15 Uhr |